Meerjungfrau
von Margarete Schebesch (2003)
Schweigend stehe ich am Wasser,
Langsam nähert sich die Flut,
Und der Sand wird nass und nasser
Und der Himmel immer blasser,
Und die Sonne – rote Glut.
Immer höher sind die Wellen,
Wild umspülen sie den Strand.
Und ich sehe Wasser schwellen,
Fische durch die Strömung schnellen -
Viel zu fern ist schon das Land!
Endlich sehe ich ihn winken,
Grünes Meeresgras im Haar,
Lockt mich, mit ihm zu versinken,
Tauchen, ohne zu ertrinken,
Gleiten mit der Fische Schar.
Stumm lässt er die Augen sprechen,
Doch in mir ertönt sein Wort,
Und ich kann den Bann nicht brechen:
Schönes, schweigendes Versprechen
Hält mich fest und reißt mich fort.
Weißer Schaum schmilzt meine Glieder
Und vernebelt meinen Sinn.
Hör der Meerjungfrauen Lieder:
Ich erinnere mich wieder,
Ja, dort unten will ich hin!
Flossen werden aus den Armen,
Silberschuppen aus der Haut.
Und das Meer zeigt kein Erbarmen,
Als die Wellen mich umarmen:
Bin des Meereskönigs Braut.
Doch in meinem tiefen Rausche
Stört der Wind mein nasses Glück.
Leise ruft er – und ich lausche –
Und erlöst mich von dem Tausche,
Holt mich in die Welt zurück.
Schweigend liege ich am Strande,
Angespült vom kalten Meer:
Weiße Haut im feinen Sande,
Fest verbunden mit dem Lande –
Und ich wollte ihn so sehr!